Manchmal kann ein Sturz ein Leben retten
Alles drehte sich nur ums Klettern und so wie ich diesen Sport betrieb, war es wohl mein Schicksal dabei zu sterben.
Ich glaube, wenn ich heute darüber nachdenke, dann hat alles in der Schule begonnen. Ich habe eine Erinnerung, die mir immer wieder in den Sinn kommt: ich stehe an der Tafel, der Lehrer stellt mir eine Frage, aber ich kenne die Antwort nicht.
Ich drehe mich um und die 40 Paar Augen meiner Klassenkameraden schauen mich an und sagen: “Sag mal bist du dumm, dass du diese Antwort nicht kennst?” Ich drehe mich zu meinem Lehrer und auch in seinen Augen steht die gleiche Frage geschrieben. Ich komme nach Hause, meine Mutter war gerade beim Elternsprechtag – ich liebe und schätze meine Mutter sehr – aber auch in ihren Augen steht dieselbe Frage, die ich schon von meinen Klassenkameraden und indirekt auch von meinem Lehrer gehört habe.
Ich beende die Schule und fühle mich gedemütigt. Ich war mir sicher, dass ich dumm bin. Nachdem ich den Wehrdienst hinter mich gebracht hatte, kam ich zum ersten Mal in den Kontakt mit einem Felsen und entdeckte die Berge für mich. Verwundert stellte ich fast, dass auch mir etwas gelang, sehr gut sogar. Hierfür bin ich nicht zu dumm. Jedes Mal wenn ich eine Wand bekletterte, war es für mich wie eine Revanche gegen all die, die nie an mich geglaubt haben, mich selbst allen voran. Jetzt kann ich sagen, dass ich ein richtiger Kletterer bin. Ich klettere jedoch nicht auf hohe Höhen (max. 6500 m). Den Alpen bevorzuge ich die Vertikalen in Patagonien und Australien.
In dieser Zeit sind meine Freunde und ich 6-8 Monte im Jahr unterwegs, wir leben von Sponsoren, von Diashows und als Bergführer. So bin und lebe ich. Alles oder nichts. In der Zeit von 20 und 38 Jahren habe ich wirklich oft Kopf und Kragen riskiert. Jeder Anstieg hätte der letzte sein können. Bis ich eines Tages wirklich abstürzte.
Ich machte gerade Canyoning im Ledrotal, als ich auf einmal in die Tiefe stürzte. Das war im Jahr ’98. Ich erinnere mich daran… nachdem ich aus dem sachten Wasser, in das ich gefallen war, wieder auftauchte und ans Ufer geschwommen war, spürte ich mehr als Schmerzen eher eine Art Entfremdung mit meinem Körper.
Dies vor allem, als ich mir meinen Fuss ansah und die Geräusche der Knochen meines Knöchels hörte. Denn dieser war beim Aufprall regelrecht explodiert.
Ich musste für 6 Monate im Krankenhaus bleiben und sechs Operationen an meinem Fuss vornehmen lassen. Die Ärzte sagten mir, dass ich nie wieder zurück in die Berge könne und das sie meinen Knöchel mit einer Schraube fixieren müssen, damit ich ihn nicht mehr bewegen kann und so vielleicht keine Schmerzen mehr verspüre. Aber ich habe abgelehnt! Auch wenn ich kein bisschen Knorpel mehr habe, das Tibiaplateau beschädigt ist und ich grosse Schmerzen habe, kann ich mit dieser Mobilität die mir noch geblieben ist zumindest Skifahren.
Ich musste mich schnell an diese neue Situation gewöhnen. Was mir am meisten fehlte war das Joggen und das Klettern. Ich hatte 15 Jahre lang nichts anderes gemacht und plötzlich von einem Tag auf den anderen, konnte ich es nicht mehr und würde es auch nie wieder können. Es war nicht leicht und es fiel mir sehr schwer es mir einzugestehen: am Anfang sagte ich immer allen, dass es mir gut ginge. Dann eines Tages nahm ein Freund von mir kein Blatt mehr vor den Mund und fragte mich: “Danny.. fehlte dir denn das Klettern gar nicht?”
Ich begann zu weinen wie ein kleines Kind.
Nach dem Unfall stürzte ich ein weiteres Mal ab. Aber diesmal in mich selbst. Ich hatte meinen Körper ruiniert, aber vor allem meinen Verstand. Bis zu diesem Moment lebte ich für den Klettersport, so extrem und unbesonnen wie kein anderer. Wenn ich allein war oder einfach nur weil ich Lust dazu hatte, kletterte ich ungesichert auf Klettersteigen für die ich ein Seil brauchte um wieder herunterzukommen.
Auch Reinhold Messner kletterte so, auch er kletterte frei von allem, nur mit einem Seil über der Schulter als psychologische Stütze. Einmal kletterte ich auf eine etwas schwierigere Wand und überholte eine Klettergruppe in Rast, ich erinnere mich noch heute an ihre Gesichter als sie mich ohne Sicherung sahen.
Als ich am schwierigsten Punkt angelangt war bekam ich Angst, begann zu zittern und rief: “Bepi! Achtung ich falle.” Ich flehte einen Partner an, den ich mir nur einbildete. Ich dachte an die anderen unter mir und das diese bestimmt dachten ich sei verrückt. Aber ich war bereit meinen Hals zu riskieren, um es meinem Ego zu beweisen. Was für ein Idiot ich doch war!
Ich lebte von meinem Körper und es gab keinen Berg und keine Wand die mir Angst machten, ich war komplett ausser Kontrolle. Und nicht nur ich war ausser Kontrolle. In meinem Freundeskreis waren fast alles Kletterer und jedes Jahr gingen wir auf eine andere Beerdigung. Mein Ego wurde mein Beweggrund: in den Zeitungen zu erscheinen, zu wissen das ich der Erste war der einen Klettersteig eröffnet hat… Hier ging es nicht mehr darum mich selbst herauszufordern, sondern nur noch darum mein Ego zufrieden zu stellen und von anderen Leute Anerkennung zu erhalten.
Manchmal fragte ich mich: “Warum bin ich hier? Habe ich Spaß dabei? Nein, aber wenn ich es tue dann gewinne ich, bekomme einen Preis und einen Artikel in einer Zeitung in Amerika, und so weiter…”
Rifugio Altissimo
Danny Zampiccoli war für 17 Jahre der Betreiber des Rifugio Damiano Chiesa auf dem Monte Altissimo. Einer der beliebtesten Anlaufpunkte für Ausflügler und Biker am Gardasee in Trentino und die letzte Etappe des Top Loop Garda Trek.
Seine starke Personalität, seine Sympathie und seine wundervolle Art seine Gäste zu empfangen, haben aus dieser Alm eine Anlaufadresse für alle Liebhaber der Berge und der Abende in guter Gesellschaft gemacht.
Seit diesem Jahr ist Danny nicht mehr der Betreiber der Alm auf dem Gipfel des Monte Altissimo, sondern die junge Eleonora Orlando, der wir an dieser Stelle viel Glück für dieses neue Abenteuer wünschen.
Ein grosses Dankeschön an Danny, für die tolle Arbeit die er hier in den letzten Jahren geleistet hat. Auch ihm wünschen wir alles Gute und immer neuer Herausforderungen und Genugtuungen.